
Herbst 2025 – der Begriff „Mobilitätswende“ ist längst mehr als ein Schlagwort. Im gesamten DACH-Raum spürt man die Konsequenzen einer politisch forcierten Umgestaltung des Verkehrs: Ob durch neue CO₂-Grenzwerte, zonale Fahrverbote in Innenstädten, Umweltauflagen oder Förderprogramme für Elektroantriebe – die Parameter verändern sich rasant.
Besonders Motorradfahrer spüren, dass sie nicht länger unbeobachtet unterwegs sind. Die gesellschaftliche und mediale Aufmerksamkeit richtet sich zunehmend auf Geräuschpegel, Emissionsverhalten und Sicherheitsfragen von motorisierten Zweirädern. Was früher als Ausdruck von Freiheit galt, wird heute von einer wachsenden Zahl von Anwohnerinitiativen und Stadtplanern als „Lärmbelästigung“ und „Umweltrisiko“ gebrandmarkt. Es ist ein Kulturkampf entbrannt zwischen dem Bedürfnis nach urbaner Ruhe und dem legitimen Wunsch nach freier Mobilität.
Doch inmitten dieses Umbruchs agieren nicht nur Parlamente und Ministerien. Ein oft unterschätzter Machtfaktor sind die großen Interessenverbände. Ob ADAC, BVDM, ACE (Auto Club Europa) oder spezialisierte Initiativen – sie wirken heute mit auf allen politischen Ebenen: in Bundesausschüssen, bei der Ausarbeitung von EU-Richtlinien in Brüssel, in den Verkehrsministerien der Länder und nicht zuletzt in kommunalen Entscheidungsprozessen bei der Erstellung von Lärmaktionsplänen.
Manche dieser Verbände führen eigene Rechtsabteilungen, andere sitzen als Sachverständige in Normungsgremien (wie dem DIN oder der EU-Ebene) und beeinflussen die Typprüfungs-Vorschriften von morgen. Ihre Einflussnahme reicht von strategischer Lobbyarbeit bis zur direkten Gestaltung von Gesetzestexten.
Dabei stellt sich eine entscheidende Frage: Wer spricht eigentlich wirklich für die Motorradfahrer – und mit welcher Konsequenz?
Der ADAC tritt traditionell als breit aufgestellter Mobilitäts-Dienstleister auf, der von der Familienlimousine über den E-Roller bis zur Reise-Enduro möglichst viele Gruppen unter einem Dach versammeln will. Doch genau dieser Spagat führt nach Ansicht vieler Kritiker zu einer Verwässerung der Interessen. Das Problem ist offensichtlich: Der Autofahrer, der sich über laute Motorräder auf seiner Alpenroute beschwert, ist oft ebenfalls ADAC-Mitglied. Wessen Partei soll der Verband ergreifen?
Ganz anders agiert der BVDM (Bundesverband der Motorradfahrer), der sich konsequent als Stimme der Zweirad-Gemeinschaft versteht. Er hat ein klares Mandat, aber (im Vergleich zum ADAC) deutlich begrenztere finanzielle Ressourcen. Er mischt sich lautstark in Debatten ein, bezieht Stellung, reicht Klagen ein und bringt Gutachten vor Gericht. Seine Reichweite ist kleiner, doch sein Fokus ist schärfer.
Was daraus folgt, ist mehr als ein Appell zur Mitgliedschaft. Es ist ein Realitätsabgleich: Wer heute Motorrad fährt, sollte wissen, dass die Regeln des Fahrens nicht im Hinterzimmer entstehen, sondern im Dialog mit Verbänden. Und ob die eigene Perspektive dort vertreten wird oder nicht, entscheidet man häufig selbst – über die Wahl, ob und wo man Mitglied ist.
Pannenhilfe, Rabattaktionen, Tourenbücher – das alles ist ein netter Service. Doch die politische Vertretung der eigenen Interessen ist längst der eigentliche Mehrwert. Im Jahr 2025 ist klar: Eine Mitgliedschaft ist keine Formsache mehr. Sie ist ein Machtfaktor.
Wenn man über Verkehrspolitik in Deutschland spricht, kommt man am Allgemeinen Deutschen Automobil-Club (ADAC) nicht vorbei. Mit über 21 Millionen Mitgliedern bleibt der Club ein Gigant – nicht nur in Sachen Pannenhilfe, sondern auch auf dem politischen Parkett. Was früher oft verdeckt hinter verschlossenen Türen passierte, ist heute sichtbarer: Der ADAC veröffentlicht Positionspapiere, sitzt in Anhörungen des Bundestags und mischt sich in fast jede Debatte rund um Mobilität ein.
Im Herbst 2025 tritt der Verband besonders offensiv auf. Themen wie ein mögliches Tempolimit auf Autobahnen, der Ausbau der Ladeinfrastruktur oder der rechtliche Rahmen für Assistenzsysteme stehen ganz oben auf der Agenda. In Brüssel und Berlin wirbt man für technologieoffene Lösungen (was auch E-Fuels einschließt), weniger Bürokratie beim Infrastrukturausbau und mehr Verkehrssicherheit.
Der Fokus liegt dabei jedoch unverkennbar auf dem Automobilverkehr. Für viele Motorradfahrer wirkt das wie ein Déjà-vu: Auch in dieser kritischen Phase der Mobilitätswende scheint das motorisierte Zweirad nur ein Randthema zu sein.
Zwar lehnt der ADAC weiterhin ein generelles Tempolimit auf Autobahnen ab, was auch Tourenfahrer begrüßen dürften. Doch vermissen viele Biker nachdrückliche Worte zu den sie direkt betreffenden Problemen: Streckensperrungen für Motorräder, Lärmkontrollen (Stichwort “Standgeräusch”) oder die Sorgen vieler Biker bezüglich technischer Umbauvorschriften.
Kritiker werfen dem Verband vor, sich bei diesen konfrontativen Themen bewusst zurückzuhalten, um seine massive Mitgliederbasis – die eben hauptsächlich aus Autofahrern besteht – nicht zu verprellen. Gerade im Alpenraum, wo Fahrverbote (nach österreichischem Vorbild) erneut drohen, wirkt der Club auf viele Betroffene auffällig still. Auch beim Ausbau der Ladeinfrastruktur für elektrisch betriebene Zweiräder (L-Kategorie-Fahrzeuge) hält sich der Verband zurück, obwohl gerade hier massive Defizite bestehen und die Förderung sich fast ausschließlich auf Pkw konzentriert.
Intern scheint das nicht folgenlos zu bleiben. In Regionalgruppen und Fachkreisen des ADAC wird der Ruf lauter, den Zweiradbereich nicht länger als Anhängsel der Pkw-Sparte zu behandeln, sondern als eigenständige Mobilitätsform mit eigenen Bedürfnissen. Ob daraus 2026 ein echtes Umdenken in der Verbandsspitze entsteht, bleibt abzuwarten.
Bis dahin gilt: Wer als Motorradfahrer beim ADAC Mitglied ist, bleibt Teil einer breiten Bewegung und genießt exzellente Dienstleistungen – muss aber offenbar akzeptieren, dass seine spezifischen Interessen gefühlt nur selten im Mittelpunkt der politischen Arbeit stehen.
Während große Verbände wie der ADAC mit Millionen von Mitgliedern und umfangreichen Budgets auftreten, bleibt der Bundesverband der Motorradfahrer (BVDM) ein vergleichsweise kleiner, aber umso aktiverer Akteur – und das gerade im Jahr 2025. Was dem Verband an Größe fehlt, macht er durch Engagement, Fachkompetenz und Präsenz in den entscheidenden Gremien wett.
Im Zentrum der aktuellen Arbeit steht der zunehmende Druck durch Lärmschutz-Initiativen und Streckensperrungen. In mehreren Bundesländern laufen seit dem Frühjahr 2025 neue Pilotprojekte, die sogenannten „Ruhezeiten für Motorräder“ an Wochenenden einführen – mit temporären oder sogar ganzjährigen Sperrungen besonders beliebter Routen. Regionen wie der Schwarzwald, das Allgäu oder Teile Kärntens stehen exemplarisch für diesen Trend.
Der BVDM reagiert mit einer doppelten Strategie: juristische Einwände und Klagen einerseits, Gesprächsangebote und Mediation andererseits. Der Verband bringt Gegengutachten ein, die oft nicht nur die Messmethoden der Lärmgegner infrage stellen (z.B. die Fokussierung auf das Standgeräusch statt des realen Fahrgeräuschs), sondern auch die sozioökonomischen Auswirkungen von Sperrungen auf den Tourismus in den betroffenen Regionen beleuchten. Er fordert differenzierte Betrachtungen statt Pauschalmaßnahmen.
Ein weiteres heißes Eisen ist die technische Regulierung, insbesondere die 2025 vollständig in Kraft getretene Euro-5+-Norm. Für Neufahrzeuge bedeutet sie strengere Grenzwerte und komplexere Zulassungsbedingungen. Besonders die Einführung der OBD-II-Schnittstelle (On-Board-Diagnose II) bei Motorrädern, die eine tiefere Manipulationserkennung ermöglicht, hat direkte Auswirkungen auf die Individualisierung (Customizing) und Umbauten.
Zahlreiche bislang gängige Zubehörteile (insbesondere Auspuffanlagen und Elektronikmodule) verlieren ihre Allgemeine Betriebserlaubnis (ABE), viele Motorräder benötigen nun Einzelabnahmen oder neue Gutachten nach § 21 StVZO, was Umbauten extrem verteuert. Der BVDM fordert hier klare Übergangsregelungen und Bestandsschutz für ältere Fahrzeuge, um den Bestand nicht künstlich zu dezimieren und legale Individualisierung weiterhin zu ermöglichen.
Doch der Verband bleibt nicht bei der Abwehr. Unter dem Motto „Fahrt rücksichtsvoll“ (Ride Respectfully) geht der BVDM auch in die Offensive – mit Aufklärungskampagnen, Dialogformaten und Präsenz auf regionalen Treffen. Diese Strategie der Selbstregulierung zielt darauf ab, der Politik zu zeigen, dass die Szene ihre Probleme selbst in den Griff bekommt, bevor es zu Fremdregulierung (also Verboten) kommt.
Was bedeutet all das konkret im Herbst 2025? Für viele Biker vor allem: Mehr Einschränkungen auf der Straße, aber auch mehr Unterstützung im Hintergrund. So werden in mehreren Bundesländern erneut Fahrsicherheitstrainings staatlich gefördert, teils mit Zuschüssen von bis zu 80 Euro pro Teilnehmer. Wer sich aktiv weiterbildet, profitiert direkt. Gleichzeitig sollten sich Motorradfahrer darauf einstellen, dass bestimmte Umbauten strengeren Prüfungen unterliegen. Wer legal bleiben will, muss künftig genauer hinsehen – und sich im Zweifel rechtzeitig informieren.
Der Blick nur auf Deutschland greift zu kurz, denn die DACH-Region ist regulatorisch ein Flickenteppich, wenn auch ein sehr einflussreicher.
In Österreich ist die Situation besonders angespannt. Der ÖAMTC (vergleichbar mit dem ADAC) und der ARBÖ agieren ähnlich wie ihre deutschen Pendants als große Mobilitätsclubs. Sie bieten Pannenhilfe und Rechtsberatung, wirken aber bei der Lärmdebatte aus Sicht vieler Biker oft diplomatisch zurückhaltend.
Die Tiroler Fahrverbote, die Motorräder über einem bestimmten Standgeräusch-Wert (z.B. 95 dB(A)) von ganzen Streckenabschnitten ausschließen, waren ein Präzedenzfall. Obwohl juristisch umstritten, wurden sie zur Blaupause für viele deutsche Lärmschutzinitiativen. Österreichische Biker sehen sich daher oft als „Versuchskaninchen“ für strengere EU-weite Regeln und erwarten von ihren Verbänden eine härtere Gangart, die diese aus Rücksicht auf Autofahrer und Tourismusverbände aus Sicht vieler Biker oft nicht liefern.
Die Schweiz wiederum ist bekannt für ihre extrem strengen Zulassungsvorschriften und die Motorfahrzeugkontrolle (MFK). Was in Deutschland mit einer ABE durchgeht, erfordert in der Schweiz oft eine teure Einzelprüfung oder ist gänzlich unmöglich. Lärm und Emissionen werden hier noch sensibler gehandhabt. Verbände wie die FMS (Föderation der Motorradfahrer der Schweiz) oder Pro-Moto haben einen schwereren Stand. Sie kämpfen weniger gegen neue Fahrverbote als vielmehr gegen eine schleichende Überregulierung bei der Typprüfung und bei Umbauten, die die Individualisierung fast unmöglich macht.
Für die gesamte DACH-Region gilt: Die nationalen Verbände sind die einzigen Akteure, die auf EU-Ebene (wo die wichtigen Normen wie Euro 6/7 beschlossen werden) überhaupt Gehör finden können.
2025 ist ein Wendepunkt für die Motorradpolitik im DACH-Raum. Die Zeit, in der motorisierte Zweiräder stillschweigend mitliefen, ist vorbei. Die Diskussionen um Lärm, Emissionen, Infrastruktur und Sicherheit betreffen Motorradfahrer heute direkt – und sie werden emotionaler, härter und komplexer geführt als je zuvor. Es geht nicht mehr nur um das Fahren, es geht um das Dürfen.
Was sich ebenfalls verändert hat: Die politische Landschaft duldet keine leisen Randgruppen mehr. Wer nicht sichtbar ist, wird schlicht nicht berücksichtigt. Das gilt auch für die Gemeinschaft der Motorradfahrer. In diesem Spannungsfeld kommt den Verbänden eine neue Rolle zu: Sie sind nicht länger bloße Dienstleister oder Veranstalter von Sicherheitstrainings. Sie sind Interessenvertreter im besten (und politischsten) Sinne.
Dabei zeigt sich ein deutlicher Unterschied: Während große Organisationen wie der ADAC oder ÖAMTC bemüht sind, allen Zielgruppen gerecht zu werden – vom E-Autofahrer bis zum Sonntagsbiker – und sich dabei aus Sicht von Kritikern oft in Neutralität verlieren, agieren spezialisierte Verbände wie der BVDM wesentlich fokussierter. Sie benennen Missstände, treten mit klarer Haltung auf und bringen konkrete Forderungen ein – auch wenn das bedeutet, gegen politische oder gesellschaftliche Strömungen zu stehen.
Für die Szene bedeutet das: Wer mitgestalten will, braucht Strukturen. Einzelmeinungen in sozialen Medien oder hitzige Diskussionen in Foren reichen nicht mehr aus. Nur wer sich organisiert, wer mitarbeitet, wer ansprechbar bleibt für Politik, Medien und Verwaltung, wird gehört.
Am Ende steht ein einfaches, aber kraftvolles Fazit:
Motorradfahren ist mehr als ein Hobby – es ist Teil einer kulturellen Identität. Damit es das auch in Zukunft bleibt, braucht es Menschen und Institutionen, die dafür eintreten. Eine Mitgliedschaft im richtigen Verband ist daher keine Nebensache. Sie ist ein politisches Statement – und vielleicht das stärkste Werkzeug, das der Einzelne heute hat.






